«Alle mögen dieses Fleisch, sogar die hohen Funktionäre.»
Elefantenwilderer in Zentralafrika
Es ist früh am Morgen in Zemio in der Zentralafrikanischen Republik. Satrac Akapio ist unterwegs zum Treffen mit dem Fleischhändler. Er hat Elefantenzähne und sieben Körbe mit je 20 Kilo geräuchertem Elefantenfleisch aus dem benachbarten Kongo. Der Händler rechnet vor: Das Elfenbein wiegt 800 Gramm und kostet 20 Franken, ein Korb Fleisch 75 Franken. Den Jägern ging es nicht ums Elfenbein, sondern ums Fleisch: «Das bringen wir nach Bangui, dort ist der Preis besser. Ich bin nur ein Zwischenhändler.» Bis in die Hauptstadt Bangui sind es über 600 Kilometer. Karl Ammann kommentiert: «Der Handel mit Elefantenprodukten ist international verboten. Aber er bringt schnelles Geld. Und Kontrollen gibt es keine. In Afrika wurden allein vergangenes Jahr über 20000 Elefanten illegal abgeschossen. Die Waldelefanten aus den Ländern Zentralafrikas sind am stärksten von der Wilderei betroffen. Im krisengeschüttelten Zentrum des Kontinents hat Tierschutz keine Priorität.» Das Elefantenfleisch stammt aus dem Süden von Zemio und wird über den Grenzfluss Bomo in den Kongo gebracht. Vor einem Jahrzehnt noch zogen grosse Elefantenherden durch dieses Gelände. Sie sind weg, denn schwer bewaffnete Banden gehen hier auf Elefantenjagd.
Damit das Fleisch in der Hitze nicht verdirbt, wird es geräuchert. So wird es über Monate haltbar. Ein Elefant gibt um die 250 Kilogramm geräuchertes Fleisch her. Fleisch bringt für die Wilderer selbst mehr Geld als Elfenbein. Elfenbein wird in den internationalen Markt geschmuggelt, das Fleisch hingegen kann auf den regionalen Märkten abgesetzt werden. In Bangui, der Hauptstadt der Republik Zentralafrika, sind die berüchtigten Spezialeinheiten der Armee allgegenwärtig. Die Republik ist seit Jahren im Ausnahmezustand: Meutereien, Bürgerkriege, Bandenkriminalität. Nur die Entwicklungshilfe aus Frankreich bewahrt den Staat vor dem Kollaps. Auf dem Fleischmarkt im Ortsteil Bimbo findet man geräuchertes Wildfleisch aus allen Landesteilen. Hier in der Hauptstadt gilt es als Delikatesse. Ein Kilo kostet um die 10 Franken – das ist fast die Hälfte eines durchschnittlichen Monatslohns.
In Bayanga, im südwestlichsten Zipfel der Republik Zentralafrika, liegt Afrikas berühmtestes Schutzgebiet für Waldelefanten, mitten im Urwald des Kongobeckens. Der dichte Regenwald wird immer wieder von Forststrassen durchschnitten. Holzfällercamps und Sägereien tauchen auf. Der Lebensraum der Waldelefanten ist bedrängt. Vor bald zwanzig Jahren hat der WWF hier zusammen mit der Regierung das Schutzgebiet Dzanga Sangha ins Leben gerufen. 316 Schmetterlingsarten gibt es hier. Aber bekannt ist Dzanga Shanga für seine Elefanten.
Keine zwei Stunden Fussmarsch von Bayanga entfernt liegt in einer Waldlichtung das «Dorf der Elefanten», die Dzanga Bai. Die Tiere kommen hierhin, um den Schlamm zu fressen. Er ist reich an Mineralien und das tut dem Stoffhaushalt der Elefanten gut. Waldelefanten sind eine Unterart und kleiner als die Elefanten der Savanne. Ihre Stosszähne sind bei japanischen Schnitzern besonders gefragt. Nicht einmal die Bai ist vor den Wilderern sicher. Sogar die Aussichtsplattform wird als Jäger-Hochstand missbraucht. Die Parkverwaltung hat deshalb gleich nebenan einen permanenten Posten eingerichtet. Jetzt schieben schwer bewaffnete Wildhüter Dienst. Die Ba-Aka-Pygmäen sind die Ureinwohner des Gebiets. Den 1.Mai feiern sie mit der symbolischen Vertreibung des Waldgeistes. Die Pygmäen werden von den übrigen afrikanischen Ethnien diskriminiert und schlecht behandelt. Weil aber niemand den Wald so gut kennt wie die Pygmäen, werden sie oft von den Wilderern für deren Zwecke eingespannt, erzählt uns der Dorfchef: «Der wichtigste Mann ist der, der das Gewehr besitzt. Er schickt seine Männer zu uns, und die sagen, wir sollen bei der Elefantenjagd helfen: zum Beispiel das Fleisch aus dem Wald hinaustragen. Die versprechen uns 50 Rappen oder einen Anteil am Erlös. Aber alles, was wir bekommen, ist eine Tasse Palmwein.»
Andrea Turkalo, die «Jane Godall der Waldelefanten» sagt: «Die Leute töten immer noch für Elfenbein. Aber es gab eine Verschiebung zum Fleisch. Die Bevölkerung ist gewachsen, es gibt jetzt viel mehr Menschen hier.» Und über die Begegnung mit einem Wilderer: «Desire Loa hat mir gedroht, er töte alle Elefanten in der Bai. Ich sagte: ‹Tu's doch. Ist ja dein Land.› Ich dachte mir, schau dir doch dein Haus an, deine Kleider. Er war mal Parkwächter. Es sind ihre Ressourcen. Ich kann morgen nach Hause gehen. Emotional belastet mich das nicht. Es macht mich natürlich wütend, wenn Leute so was sagen. Aber schliesslich ist es ihr Land. Wenn die ihre Naturschätze zerstören wollen, werden alle extrem arm sein.» Die 4000 Einwohner von Bayanga haben andere Sorgen als Naturschutz. Viele erachten die Jagd auf Wildtiere für lebensnotwendig. Fast keiner hat Arbeit. Schon am Morgen trinkt man in der Bar den lokalen Palmwein. Palmwein, ein Job beim WWF – oder eben die Wilderei: Das ist das einzige, was in Bayanga Geld bringt. Das Sägewerk steht seit zwei Jahren still. Wegen Streit um Steuern und Abgaben. Der WWF stellt 49 Parkwächter. Die Wächter haben einen bezahlten Job – aber im Dorf sind sie nicht beliebt. Der Franzose Cyril Pélissier ist Chef der Wächter. Letztes Jahr fand sein Team die Überreste von acht gewilderten Elefanten. Die Parkwächter vermuten aber, dass in dieser Zeitspanne insgesamt gegen hundert Elefanten den Wilderern zum Opfer fielen: «Das Elfenbein und vor allem das Fleisch machen die Elefanten zur wichtigen Ressource, wie Diamanten oder Holz. Ohne das Projekt gäbe es hier keine Elefanten mehr.» Der grosse Frust der Parkwächter: Die Elefantenjäger, die sie ertappen, werden wieder laufen gelassen! Desire Loa: «Die Gewehre gehören den grossen Funktionären. Sie benutzen die Pygmäen als Jäger und bewaffnen sie. Der Polizeikommandant, der Staatsanwalt, der Präfekt, die Beamten, die ihr Geld beim Staat verdienen, die bringen die Gewehre her."
Die Waldelefanten-Forscherin Andrea Turkalo: «Sie können diese Diskussion in Bangui führen. Sie können sagen: ‹Die Behörden unterstützen die Wilderei.› Es gibt ein ganzes Netzwerk, das die Wilderer beschützt und das sie das Elfenbein ausser Landes bringen lässt. Das können nur Regierungsbeamte ermöglichen, die kontrollieren. Und wir wissen es alle.»
Und Karl Ammann: «Alle wissen es, kaum jemand tut etwas. So ist der Fortbestand der Waldelefanten von Dzang Sangha in Frage gestellt.»
Die Waldelefanten
Die Waldelefanten in Zentralafrika sind kleiner und dunkler als ihre Artgenossen in den östlichen und südlichen Savannen. Auch sind ihre Stosszähne weniger gekrümmt, und die Ohren haben eine ovalere Form. Die Waldelefanten leben in kleinen Gruppen im dichten Regenwald, vorwiegend im Kongo-Becken. 1989 wurde die Population im Kongo-Becken von Experten noch auf etwa 172000 Tiere geschätzt. Eine Studie, die im April 2007 veröffentlicht wurde, zieht aber das Fazit, dass das Wildern in Kombination mit anderen Störungen durch den Menschen die Anzahl und die Verbreitung seither negativ und nachhaltig beeinflusst hat.