Nashorn- kontra Affenschutz
Seit zwei Jahren recherchiere ich jetzt in Vietnam und Laos in Sachen Handel mit Rhino-Horn und habe bisher 4 Trips in diese Region unternommen. Ein Teil dieser Recherche bedeutet, nach Neuigkeiten zum Thema „Nashorn Wilderei“ im Internet zu googlen. Dabei scheint kein Tag zu vergehen, an dem nicht zwei oder drei neue Artikel zu diesem Thema erscheinen. Außerdem gibt es Titelseitenberichte in einigen der wöchentlich erscheinenden lokalen Zeitungen, die dokumentieren, dass das Töten der Nashörner um ihrer Hörner willen zu einer ernst zu nehmenden Artenschutz-Krise geworden ist. Das Bewusstsein für diesen Umstand ist durch die traditionellen Medien ebenso wie durch soziale Netzwerke auf eine Ebene geraten, wo Politiker diese Angelegenheit mittlerweile ernst nehmen.
Aber was ist mit einigen anderen charismatischen Vorzeige-Arten wie unserem nächsten Verwandten, dem afrikanischen Menschenaffen (Schimpansen, Bonobos und Gorillas)?
Wenn ich „Schimpansen Wilderei“ google scheint der aktuellste Eintrag von einer Seite zu sein, die gar nicht mehr aktiv ist. Der nächste Eintrag geht dann zurück auf das Jahr 2011, dann 2008 und der nächste ist aus 2007.
Dieses völlige Fehlen von Nachrichten über den Schutz der Affen finde ich zutiefst beunruhigend. Irgendjemand schläft dort am Rad. Vielleicht auch ganz viele. Die Realität sieht so aus, dass die Population der Nashörner in Südafrika und selbst in Ostafrika zunimmt, trotz Wilderei. Die Population der afrikanischen Menschenaffen hingegen, nimmt täglich ab. Und zwar in einem schnelleren Tempo als jemals zuvor. (Die einzige Ausnahme in diesem Trend scheinen die Berggorillas zu sein, da hier einiges an Geld durch den Tourismus reinkommt. In der Vorstellung verbindet man Ruanda und Uganda sofort mit Artenschutz für Berggorillas und die Artenschutz-Gemeinde will natürlich ein Teil dieser Erfolgsgeschichte sein. Sie überschlagen sich förmlich, um auch nur irgendwie mit dem Schutz der Gorillas in Verbindung gebracht zu werden)
Anfang letzten Jahres wurde ich des sehr aktiven und völlig illegalen Handels mit lebenden Baby-Schimpansen gewahr, die vom westafrikanischen Guinea nach China geschickt werden (und in etwas kleinerem Umfang an private Sammler in den Mittleren Osten). Nach den neusten Informationen wurden in den letzten 3 Jahren etwa 130 Schimpansen und 10 Gorillas aus Guinea geschmuggelt. Zum Teil sogar vor der Nase von bedeutenden Akteuren des Artenschutzes für Affen, mit laufenden Projekten im Land. Das ist eine erschreckende Zahl, wenn man sich vergegenwärtigt, wie viele erwachsene Affen höchstwahrscheinlich getötet werden mussten, um die Waisen für diesen Handel zu erzeugen. Die CITES-Ausfuhrerlaubnis hat sie als „G“ markiert, geboren in Gefangenschaft. In Wahrheit aber wurde nicht ein einziger in Gefangenschaft geboren. Die meisten wurden einfach über mehrere internationale Grenzen hinweg in die Region geschmuggelt, bevor sie mit der gefälschten Erlaubnis nach China und den Mittleren Osten verschifft wurden.
Als das CITES Sekretariat diesen außer Kontrolle geratenen Handel schließlich untersuchte, hieß es in deren öffentlicher Stellungnahme, dass Guinea nicht in Übereinstimmung mit dem Abkommen für den internationalen Handel mit gefährdeten Arten handelte. Aber es wagte nicht zu erwähnen, dass China das Abkommen gleichermaßen missachtete. In dem vertraulichen Bericht des Sekretariats wurden einige der korrupten Praktiken in Guinea zusammengefasst, die von dem importierenden Land eigentlich gar nicht hätten unbemerkt bleiben können. Doppelmoral also auch auf dieser Ebene.
Mittlerweile wäre das effektivste Werkzeug zur Durchsetzung der Gesetze, neben dem Einstellen der Zusammenarbeit mit dem gegen die Gesetze verstoßenden Land (für gewöhnlich keine Option, die CITES in Erwägung zieht), die Waisen wieder in ihre Heimat Afrika zurückzubringen und den Importeur so davon abzuhalten, sie kommerziell nutzen zu können. Das ist aber nicht passiert. Wie üblich verstecken sich die Vertreter des CITES Sekretariats hinter dem angeblichen Mangel an Kapazitäten in afrikanischen Schutzgebieten.
Ein in Kenia ansässiges und an PASA angeschlossenes Schutzgebiet für Schimpansen baute kürzlich neue Unterbringungen und Gehege an und bot diese dem CITES Sekretariat an, um in der China-Angelegenheit die Einhaltung des Abkommens durchsetzen zu können. Es wurde noch nicht mal der Eingang dieses Angebots bestätigt.
Dieser fortlaufende Handel mit den hochgefährdeten Affen – damit sich Menschen in China und dem Mittleren Osten bereichern können – ist ein großer Skandal. Warum sollte also fast jeder Leser dieses Magazins über die in Südafrika gewilderten Nashörner Bescheid wissen, wenn nur sehr wenige – möglicherweise niemand – mit dem Guinea-Fall vertraut sind?
Weil die Schimpansen größtenteils in Zentral- und Westafrika leben und diese Regionen von den meisten Akteuren sowieso als hoffnungslose Fälle in Sachen Artenschutz abgetan werden? Weil Nashörner auf Farmen leben, deren Besitzer einflussreiche Personen sind, die die Story in die Medien bringen können? Weil Nashörner (zumindest weiße) auf jeder Safari leicht zu fotografieren sind? Weil sie in Ländern leben, in denen es eine Industrie für Wildtier-Tourismus gibt, die dazu beiträgt, einen politischen Willen zu schaffen, der in Ländern wie Guinea, ebenso wie Touristen, kaum vorhanden ist? Weil wir erst alarmiert sind, wenn die Zahl der Arten auf ein Niveau gesunken ist, für das jede Person zur Rechenschaft gezogen werden kann – oder auch eben nicht, wie es ja der Fall zu sein scheint.
Egal welcher Grund zutrifft, die Gemeinschaft des Artenschutzes für Affen könnte in Bezug auf Lobbying, Aktivismus und Führen von Wahlkampagnen eine Menge von der Nashorn-Gemeinschaft lernen. Während ich keinerlei Problem habe, meine eigenen Nashorn-Stories veröffentlichen zu lassen, hat es die Affenhandel-Story Guineas noch nicht mal auf Primaten-Blogseiten geschafft.
Diese Doppelmoral in der Berichterstattung ist mehr als passend zur Doppelmoral beim Thema Schutzbemühungen. Manche sprechen jetzt davon, Drohnen über dem empfindlichen Lebensraum der Nashörner einzusetzen. Hubschrauber werden bereits genutzt, während die südafrikanische Armee im Krüger Nationalpark eingesetzt wurde. Ich habe Zahlen gesehen, die zeigen, dass die geschätzte monatliche Summe für den Schutz eines Nashorns auf privatem Gelände $ 1.200,- beträgt. Unterdessen gibt es Gebiete im Norden Kongos wo es nach meinen eigenen Schätzungen immer noch viele Tausend Schimpansen gibt – die aber mit wachsender Unbarmherzigkeit gejagt werden. Wir kennen die Dichte der Schimpansen in dieser Gegend. Wir kennen die Größe des bezeichnenden Ökosystems. Wir kennen die Dichte der Menschen dort und die damit verbundene Dringlichkeit, zu jagen. Wir wissen, dass Schimpansen als Nahrungsmittel gejagt werden.
Es wäre naheliegend, in dieser Gegend etwas Geld aus dem Artenschutz abzustellen. Aber es wird in dem ganzen Bereich nicht ein einziger Cent für aktiven Artenschutz ausgegeben. Zumindest nicht soweit mir bekannt ist. In einer neuesten Wendung hat jedoch ein Artenschutz NGO, der nicht mit der Region vertraut ist, Wissenschaftler damit beauftragt, eine weitere Studie anzufertigen. Wozu eine weitere Studie? Aus meiner Sicht ist der Grund, dass viele Möchtegern-Artenschützer sich eigentlich als Feldwissenschaftler betrachten, die versuchen, soviel Zeit wie möglich im Busch zu verbringen und sich ihren selbstgewählten Lebensstil von Spendengeldern finanzieren lassen. Zudem sind Gutachten natürlich der leichtere Teil, und mit noch mehr Gutachten auf schon vorhandene Gutachten wird sich nie die Notwendigkeit ergeben, sich den wirklichen Problemen zuwenden zu müssen, mit denen eindeutig viel schwerer umzugehen ist als Transekten durch den Busch zu schneiden – die die Wilderer dann natürlich nur zu gern nutzen, um noch mehr Schaden anzurichten.
Es ist viel einfacher, ein detailliertes wissenschaftliches Forschungsangebot von Akademikern zu bekommen, die nur ein bisschen Spaß wollen, als Wissenschaftler zu finden, die bereit sind sich mit den wirklichen Problemen des Artenschutzes auseinanderzusetzen – nämlich die Menschen und ihre steigende Anzahl. Was wir brauchen, sind Tierschützer, die bereit sind, sich mit dem Dorfvorsteher, korrupten Regierungsbehörden und undisziplinierten Armee-Einheiten zusammenzusetzen, um auf die Durchsetzung der nationalen Gesetze zu pochen. Was wir brauchen, sind Naturschützer, die mit Rucksäcken voller Kondome reisen, statt mit GPS-Geräten, und die bereit sind, Familienplanungsstellen selbst in entlegenen Gebieten zu errichten. Das ist mitunter harte Arbeit und kann sehr frustrierend sein und es ist nichts, wofür sich Kandidaten einreihen würden, um darin Forschung zu betreiben. Das Verhalten der letzten Artgenossen einer Art zu untersuchen ist da natürlich viel sexier.
Tatsache ist, dass beim Artenschutz nicht die Tiere das Problem sind. Die Menschen sind es. Mit dem Artenschutzproblem umzugehen würde also logischerweise bedeuten, sich mit den Menschen auseinanderzusetzen. Ja, mit Menschen umzugehen kann ein echt harter Kampf sein…und die meisten Artenschutz-„Experten“ haben sich nicht die Mühe gemacht, mit der Frustration umzugehen, die mit zwischenmenschlichen Beziehungen einhergeht. Was wir meiner Meinung nach brauchen, ist eine neue Art von Natur- und Umweltschützern, nämlich solche, die sowohl an Menschen interessiert sind als auch an der menschlichen Natur. Vielleicht heißt das Psychologen oder sogar Psychiater, oder – wie ich der Vergangenheit schon mal dargelegt habe, echte Öko-Missionare, die bereit sind, mit den Menschen zu leben und täglich mit ihnen zu arbeiten – auch sonntags.
Übersetzung: Claudia Herms